Renjo La Pass

Es ist 5:00... mein Wecker klingelt, aber wirklich geschlafen habe ich heute nicht. 
Zu viel wurde am Vorabend von allen Seiten der Aufstieg über den Renjo Pass debattiert und besprochen. 
Zudem war es heute Nacht kalt!! Extrem kalt. Die kälteste Nacht bisher um ehrlich zu sein. 
-25 Grad hab mich heute Nacht nicht nur wach gehalten, sondern tatsächlich auch ein wenig an meine Grenzen gebracht. 
Somit bin ich eigentlich ganz froh, dass diese Nacht nun ein Ende hat und es endlich los geht. 

 

Nach einem ausreichenden und stärkenden Frühstück starten wir unsere heutige Etappe. 
Der Weg beginnt gemütlich und ohne viel Steigung, doch nach ca 15 min. stehen wir plötzlich vor dem ersten Anstieg, welcher es gleich richtig in sich hat. 
Ich gehe extrem langsam, konzentriere mich auf meine Atmung und versuche meine Kräfte einzustellen und zu sparen. 

Nach ca 45min. stetig steilem Anstieg, übernimmt Pasang meine Rucksack. 
Plötzlich 8kg weniger auf dem Rücken zu haben erleichtert das weitergehen enorm und nach eine kleinen Pause geht es mit vollem Elan weiter. 

 

Nachdem wir gemeinsam einen großen Bergkessel durchqueren, baut sich zunehmenden eine immer größer werdende Felswand vor uns auf. 
Vergebens versuche ich den Weg zwischen den Felsen zu sehen... doch es bleibt nur ein Riesen Fragezeichen in meinem Kopf mit der Frage: Wo zur Hölle sollen wir da rauf? :D 

 

Der nächste größere Anstieg liegt vor uns. 
Das Tempo wird erneut verringert und ich konzentriere mich auf meine Atmung und meine Schritte während mein Blick immer wieder vollkommen fasziniert in die Ferne streift. 
Auf der Zwischenebene angekommen, bin ich das erste mal vollkommen am Ende. 
Pasang "ermahnt" mich langsamer zu gehen und meine Kräfte einzuteilen. 

Ich verdrücke mein mitgebrachtes Mittagessen obwohl es noch nicht mal 10:00 ist... aber ohne einen Snack und etwas Zucker wäre hier sonst gerade nicht mehr viel mit weitergehen. 
Nach 2 Powerriegeln geht es wieder weiter. Ich bin immer noch total motiviert, aber habe äußerst viel Respekt vor dem finalen Teil des Anstiegs. 

 

Willkommen im Aufstiegskampf. 
Und ja, es ist wirklich ein Kampf. Jeder Schritt und jeder Höhenmeter wird zur Challenge. 
Ich überhole Pasang und meine Sherpa und versuche mit einen kleinen Vorsprung zu ergehen um mir selbst etwas "Freiraum" zu geben. 
Nach etlichen Schneebrettern und Steinstufen, sehe ich plötzlich in nicht allzu weiter Ferne Gebetsfahnen. 
Nur wenige Minuten später stehe ich am "Gipfel". Am Höchsten Punkt des Renjo Pass. 
Bevor ich mich versehe, bin ich schon am weinen. 
Unaufhaltsam fließen die Tränen und ein unglaubliches Gefühl von Erleichterung und Stolz macht sich in mir breit. 
Dieses weinen ist anders. 
Es sind nicht einfach Tränen der Freude... der Erleichterung... 
Es ist diese weinen aus tiefster Seele. Alle Emotionen die sich die vergangen Tage in mir angestaut haben, alles was mir durch den Kopf ging, was ich versucht habe zu verdenken... bricht gerade über mich herein.

Ich hab es tatsächlich geschafft.
5360m. In Nepal. Absolut irre!

Nach ca. 20 min. am Gipfel brechen wir erneut auf. Der Abstieg noch Gokyo wartet und wir haben noch ca 2-3 Stunden vor uns.
Wie im Flug vergehen die folgenden zwei Stunden bis zum finalen Ziel.
In Gokyo angekommen treffen wir einen guten Freund von Pasang, welcher uns total verblüfft anschaut und fragt ob wir über den Pass geflogen sind, weil wir so schnell bereits hier sind :D Pasang lacht nur und mein "slowly slowly"

Ich beziehe mein Zimmer für die heutige Nacht und esse zu Mittag.
Mein Kopf ist leer und gleichzeitig total voll.
Ich bin unglaublich müde und erschöpft, aber irgendwie auch absolut wach und gehyped.

Den Nachmittag verbringe ich mit Tagebuch schreiben, Kaffee und Kuchen ... und weinen.
Die Sherpas tun mir alle echt Leid :D so viel wie ich dort oben geheult habe, müssen die wirklich gedacht haben mir ist irgendwas ganz schlimmes wiederfahren.

Bis spät am Abend sitze ich im Gemeinschaftsraum und versuche meine Gedanken zu sortieren, während ich mich schon wieder auf das nächste Highlight vorbereite.
Es ist 22:00 als ich in mein Zimmer gehe und meine Wecker für die morgige Tour stelle.
1:30 steht auf meinem Wecker und ich stelle mir ernsthaft die Frage was mit mir eigentlich nicht stimmt, dass ich nach so einem Tag nicht ausschlafe und Ruhe gebe, sondern bereits zum Sonnenaufgang auf dem nächsten 5000er stehen möchte.
Vollkommen erschöpft - psychisch wie physisch - schaue ich um 23.10 das letzte mal auf meine Uhr.
Das kann ja was werden ;)


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